Pflegenotstand stoppen!

Systemwechsel in Gesundheit und Pflege

Meine Forderungen zusammengefasst:

  • Gesundheit und Pflege stärken: solidarische Gesundheitsversicherung und Pflegevollversicherung
  • 200.000 Pflegekräfte mehr in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Gesetzliche Personalbemessung einführen
  • 500 Euro mehr Grundgehalt für Beschäftigte
  • Abschaffung der Fallpauschalen
  • Solidarische Gesundheitsvollversicherung 

Auszug aus unserem Wahlprogramm:

Die Corona-Krise hat allen vor Augen geführt, dass das Gesundheitssystem falsch organisiert ist: Die eilig eingerichteten Notfallkrankenhäuser konnten vielerorts nicht betrieben werden, weil es nicht genügend Personal gab. Weil ausreichend Schutzkleidung fehlte, infizierten sich viele Pfleger*innen und medizinisches Personal. Das verschärfte den Pflegenotstand und teilweise wurde gegen Grundrechte der Menschen mit Pflegebedarf verstoßen. Die Bundesregierung hätte es nach dem Frühjahr besser wissen können. Doch sie hat das Personal in Krankenhaus und Pflege nicht aufgestockt, sie hat den Pharmakonzernen keine klaren Vorgaben für die Produktion des Impfstoffs gemacht. Schon vor Corona war Normalzustand in deutschen Krankenhäusern: kaum Zeit für Zuwendung, mangelnde Hygiene, mehr Unfälle und vermeidbare Todesfälle. Die Bundesregierung hat keine Strategie vorgelegt, wie der Pflegenotstand in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gestoppt werden kann. Die Politik der Bundesregierungen, die private Konzerne und Investoren mit unseren Versicherungsbeiträgen, Zuzahlungen, Eigenanteilen und der Ausbeutung der Beschäftigten im Gesundheitswesen das große Geld machen können, gefährdet unsere Gesundheit! Damit muss Schluss sein! Wir alle sind potenzielle Patient*innen und Menschen mit Pflegebedarf.

Wir erwarten, dass wir in Pflegeheimen, Krankenhäusern und im ambulanten Bereich gut versorgt werden. DIE LINKE steht an der Seite der Beschäftigten, die seit Jahren für diese Ziele kämpfen. Der Pflegenotstand muss endlich gestoppt werden!

  • 100 000 Pflegekräfte mehr in den Krankenhäusern und 100 000 Pflegekräfte mehr in den Pflegeheimen und 500 Euro mehr Grundgehalt! Die vielen Ausgebildeten, die den Beruf verlassen haben, sollen mit attraktiven Arbeitsbedingungen zurückgewonnen werden.
  • Wir brauchen eine gesetzliche Personalbemessung für alle Berufe im Krankenhaus und in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen! 
  • In den Krankenhäusern wollen wir Personalabbau und Outsourcing stoppen und rückgängig machen. Wir unterstützen die Kämpfe der Beschäftigten für die Rücknahme von Ausgliederungen und Privatisierungen (etwa der Küchen- und Reinigungsdienstleistungen oder der Logistik). Es muss gelten: Ein Haus, ein Tarif!
  • Die momentane Finanzierung der Krankenhäuser über das System der sogenannten Fallpauschalen (DRGs) schafft falsche Anreize: Diagnosen, die sich lohnen, werden öfter gestellt. Krankenhäuser werden unter Wettbewerbsdruck gesetzt. Der individuelle gesundheitliche Bedarf steht nicht mehr im Mittelpunkt. Wir fordern die Abschaffung der Fallpauschalen! Die Betriebskosten müssen von den Krankenkassen vollständig refinanziert werden.
  • Wir wollen Krankenhäuser in kommunale, öffentliche oder gemeinnützige Hand überführen. Gewinne aus dem Betrieb von Krankenhäusern dürfen nicht in die Taschen von Eigentümern und Aktionären fließen. Deshalb brauchen wir ein Verbot der Entnahme von Gewinnen. Mögliche Überschüsse müssen im Betrieb bleiben.Wenn keine Gewinnentnahmen mehr möglich sind, verlieren private Konzerne den Anreiz, Krankenhäuser zu betreiben. Wir fordern einen Fonds des Bundes zur Rekommunalisierung, um eine weitere Privatisierung zu verhindern und Entprivatisierungsbestrebungen zu unterstützen. Die Planungsrechte der Bundesländer müssen gegenüber den Krankenhausträgern gestärkt werden. Wir erleichtern und fördern, dass kommunale Krankenhausverbünde geschaffen werden.
  • In den Pflegeeinrichtungen wollen wir gute Arbeitsbedingungen durchsetzen.Dazu soll der Pflegevorsorgefonds in einen Pflegepersonalfonds umgewandelt werden. Medizinische Behandlungspflege, muss auch in stationären Pflegeeinrichtungen, und Einrichtungen der Behindertenhilfe vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden. Zusätzliche Pflegekräfte können so regulär beschäftigt und besser bezahlt werden. Grundlage dafür muss ein allgemeinverbindlicher Flächentarifvertrag, mindestens auf dem Niveau der Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes (TVÖD/ TV-L), für alle Beschäftigten sein, der auch für private und kirchliche Träger wie Caritas und Diakonie gilt. DIE LINKE fordert ein bedarfsgerechtes, hohes Fachkraftniveau auch in der Nachtschicht in Pflegeeinrichtungen, das bundesweit verbindlich umgesetzt und dessen Einhaltung wirksam kontrolliert wird. Bis zur Einführung der wissenschaftlichen Personalbemessung in der Altenpflege gilt eine Fachkraftquote von mindestens 50 Prozent.
  • Menschenwürdige Pflege kann und darf nicht auf Profit ausgerichtet sein. Aktuell ist der überwiegende Teil der Pflegeheimplätze und der ambulanten Pflegedienste privatwirtschaftlich organisiert. Der gesetzlich verankerte Anspruch auf Gewinn, der sogenannter Risikozuschlag, für den der Staat im Zweifel bezahlt, muss ersatzlos gestrichen werden. Die Kostenspirale der immer weiter steigenden Eigenanteile muss gebrochen werden. Bis zur Einführung einer Pflegevollversicherung müssen die Eigenanteile sofort deutlich gesenkt und gedeckelt werden.
  • Keine transnationalen Pflegekonzerne: Wir brauchen eine Zulassungssteuerung, die einen Steuernachweis im Inland enthält. Pflegeeinrichtungen müssen gemeinnützig arbeiten.
  • Gute Pflege wird vor Ort erbracht: Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, Pflegeeinrichtungen in öffentliche oder gemeinnützige Verantwortung und unter demokratische Kontrolle zu bringen.
  • DIE LINKE lehnt die Einführung von Pflegekammern ab.
  • Bund und Länder müssen ihrer Investitionspflicht nachkommen und die notwendige Infrastruktur gewährleisten. Für eine umfassende Planung der Pflegelandschaft wollen wir eine Pflegebedarfsplanung analog zur Krankenhausbedarfsplanung einführen.
  • Ambulante Pflegedienste und soloselbstständige Pflegende wollen wir durch Organisation auf gemeinnützigen Plattformen und Durchsetzung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen absichern.
  • DIE LINKE setzt sich für eine Stärkung der Qualifizierung und für eine bessere Bezahlung der Gesundheits- und Heilberufe ein. Aus- und Fortbildung in Gesundheitsberufen muss gebührenfrei sein und Arbeitsleistungen während der Ausbildung müssen vergütet werden. Bei der Weiterbildung sollen die Beschäftigten nach ihrem Grundberuf bezahlt werden. Für Psychotherapeut*innen in Aus- und Weiterbildung muss dies während ihrer gesamten praktischen Tätigkeit gelten.
  • DIE LINKE unterstützt das gewerkschaftliche Engagement für bundesweite Ausbildungsverordnungen und Ausbildungsvergütungen in der Gesundheitsbranche. Wir fordern bundeseinheitliche Regelungen für die Anerkennung von Heilerziehungspflegern*innen als Fachkräfte in der Behindertenhilfe.

Eine neue solidarische Gesundheitsversicherung!

Das Allgemeinwohl muss bei Gesundheit und Pflege im Vordergrund stehen – nicht die Profitmöglichkeiten einzelner Konzerne. Der tatsächliche Bedarf muss für die Planung unserer Gesundheits- und Pflegelandschaft ausschlaggebend sein, nicht die Frage, ob Investoren sich Rendite versprechen. Die Finanzierung muss auf neue Füße gestellt werden. Wir brauchen eine Solidarische Gesundheitsvollversicherung.Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben, alle werden gut versorgt. Zuzahlungen und Eigenanteile fallen in Zukunft weg.

 

  • Mit der Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze sinkt der Beitrag für die Krankenversicherung von circa 15 Prozent auf weniger als 12 Prozent des Bruttolohns. Bis zur Einführung einer Solidarischen Gesundheitsversicherung müssen sich die Beiträge für Selbstständige und andere freiwillig in der GKV Versicherte stärker am realen Einkommen orientieren.
  • Für Menschen mit einem Monatseinkommen unter 6.300 Euro sinken die Beiträge in absoluten Zahlen. Der allergrößte Teil der Bevölkerung wird durch dieses Konzept finanziell entlastet, auch viele Selbstständige und Rentner*innen. Arbeitgeber*innen und Versicherte zahlen jeweils die Hälfte, also dann weniger als sechs Prozent.
  • Schluss mit der Zweiklassenmedizin: Wir wollen die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen. In die Solidarische Gesundheitsversicherung zahlen alle mit ihren gesamten Einkünften (Erwerbs-, Kapital- und anderen Einkommen) ein und bekommen alle medizinisch notwendigen Leistungen, auch vollumfänglich Medikamente, Brillen, Zahnersatz oder Physiotherapie. Medizinisch unnötige Behandlungen zu finanziellen Zwecken an privat Versicherten gehören der Vergangenheit an.
  • Einige hunderttausend Menschen haben immer noch keinen Krankenversicherungsschutz – fast vierzehn Jahre nach Einführung der Krankenversicherungspflicht! Deshalb fordern wir, dass alle in Deutschland lebenden Menschen notwendige gesundheitliche Leistungen uneingeschränkt erhalten. Menschen ohne Krankenversicherung müssen ohne Verschuldung aufgenommen werden können. Die Beiträge für Selbstständige und andere freiwillig in der GKV Versicherte müssen sich deutlich stärker am realen Einkommen orientieren.
  • Wir fordern, dass die Kostenerstattung von nicht-evidenzbasierten Behandlungsmethoden durch die GKV beendet wird.

Eine solidarische Pflege-Vollversicherung

Die Pflegeversicherung deckt die Kosten der Pflege nicht, sie ist eine Teilleistungsversicherung. Immer mehr Menschen können sich gute Pflege nicht leisten, müssen sich verschulden oder geraten in die Sozialhilfe. Wir wollen die Pflegeversicherung grundlegend umbauen: Mit einer verlässlichen, gerechten und zukunftsfesten Finanzierung können wir gute Arbeitsbedingungen und gute Pflege nach wissenschaftlichen Standards sicherstellen. Die Kommunen werden entlastet, weil weniger Menschen durch die Pflegekosten von Sozialhilfe abhängig werden. Wir stehen zum teilhabeorientierten Pflegebegriff: Zeit für aktivierende Pflege und zum Zuhören, für Zuwendung und Förderung muss enthalten sein. Zu den Pflegeleistungen gehört Assistenz für Menschen mit Behinderung. Assistenzleistungen sollen möglichst lang die Teilhabe am öffentlichen Leben sichern.

  • Unsere Solidarische Pflegevollversicherung deckt alle pflegerischen Leistungen ab. Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien müssen keinen Eigenanteil zahlen. Keine Pflegeleistung darf aus Kostengründen verweigert werden.
  • Pflegeleistungen sollen in hoher Qualität von gut bezahlten Fachkräften erbracht werden. Familiäre Pflege und nachbarschaftliches Engagement können ergänzend und nicht aus der Not heraus geleistet werden. Wer auf Sozialhilfe angewiesen ist, erhält dieselben Leistungen wie alle anderen Menschen mit Pflegebedarf.
  • Die private Pflegeversicherung muss in die gesetzliche überführt werden. Die finanziellen Lasten müssen gerecht auf allen Schultern verteilt werden. Auch Beamt*innen, Abgeordnete und Selbstständige müssen entsprechend ihren Einkommen in die Solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung einzahlen: auch auf Einkommen aus Kapitaleinnahmen und ohne eine Beitragsbemessungsgrenze, die die Millionär*innen schont. Damit schaffen wir die finanzielle Grundlage für die Solidarische Pflegevollversicherung.
  • Gegen Ausbeutung müssen Beschäftigte in Privathaushalten ohne Arbeits- und Aufenthaltsrecht die Möglichkeit einer Legalisierung erhalten. Bevorzugt soll Pflegearbeit in Privathaushalten als reguläre Beschäftigung über öffentliche Agenturen, Pflegeplattformen, gemeinwohlorientierte oder kommunale Träger organisiert werden. Diese müssen tarifliche Bezahlung, unbefristete Beschäftigung, das Recht auf eine vertragliche Mindeststundenzahl, Arbeitsschutz und Weiterbildung für Beschäftigte garantieren (vgl. Kapitel »Arbeit«).
  • Für einen Urlaub in EU-Staaten sollen die Kosten für ausländische Pflegesachleistungen von der deutschen Pflegeversicherung übernommen werden.

Pflegende Angehörige entlasten!

Die Lücken in unserem Pflegesystem werden durch unbezahlte Arbeit von Angehörigen ausgeglichen.

Meist sind es die Frauen – Ehe- und Lebenspartnerinnen, Töchter und Schwiegertöchter. Im Alltag kämpfen viele pflegende Menschen mit Dauerstress, Erschöpfung und Geldsorgen. Viele schränken ihre Berufstätigkeit ein oder geben sie auf. Das verringert das Einkommen und die eigenen Rentenansprüche und führt die Pflegenden in die Altersarmut. Das im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angekündigte Entlastungsbudget wurde nicht eingeführt.

  • Die größte Entlastung sowohl für Menschen mit Pflegebedarf als auch für ihre pflegenden Angehörigen ist wohnortnahe, nichtkommerzielle und von einer Solidarischen Pflegevollversicherung abgedeckte professionelle Tages- und Kurzzeitpflege sowie unbürokratisch zugängliche Entlastungsangebote. Diese müssen ausgebaut und zusammengeführt werden. Menschen mit Pflegebedarf und pflegende Angehörige sollen selbst entscheiden können, welche Versorgungsform und welche Unterstützungsleistung sie in welchem Mix in ihrer Lebensführung brauchen und wollen.
  • Die Interessenvertretungen pflegender Angehöriger und Menschen mit Pflegebedarf brauchen in allen Pflegegremien auf Bundesebene, wie dem Qualitätsausschuss, und in allen regionalen Pflegekonferenzen einen Sitz mit Stimmrecht. Im Rahmen der Solidarischen Pflegeversicherung wollen wir einen Beirat für Menschen mit Pflegebedarf und pflegenden Angehörigen schaffen, der bei allen sie betreffenden Vorhaben anzuhören ist und ein Vorschlagsrecht für Gesetzesinitiativen erhält. Pflegeinitiativen vor Ort müssen im Rahmen der Selbsthilfe dauerhaft öffentlich finanziert werden.
  • Für mehr Transparenz, Vernetzung und Selbstbestimmung brauchen wir Pflegeplattformen, die Pflegekräfte sozialversichert und tariflich abgesichert beschäftigen. Die verbreitete 24-Stunden-Pflege durch nur eine Betreuungsperson, die im Haushalt des Menschen mit Pflegebedarf lebt, basiert auf systematischem Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz. Aktuelle Vorschläge, diese Betreuungsform durch das Beschäftigungsmodell der arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit sozialversicherungspflichtig zu machen, lehnen wir ab. Sie beheben das grundlegende Problem nicht, sondern verfestigen es und ändern nichts am System der organisierten Ausbeutung. Es darf nicht sein, dass osteuropäische Betreuungskräfte durch den Verzicht auf Mindestlohn und Sozialleistungen pflegende Angehörige finanziell entlasten und den deutschen Pflegenotstand abfedern! DIE LINKE erkennt den Wunsch älterer Menschen nach Autonomie im Alter und Leben in der eigenen Wohnung ausdrücklich an. Eine Unterstützung in der Bewältigung des Alltags durch häusliche Betreuung, die dafür notwendig ist, muss dafür auf dem Boden des geltenden Arbeitsrechts neu aufgestellt werden.
  • Aktuell gibt es keine echten Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige, die noch im Beruf stehen. Wir wollen für alle Beschäftigten sechs Wochen Freistellung bei vollem arbeitgeberfinanziertem Lohnausgleich beim ersten Auftreten eines familiären Pflegefalls. Auch bei längerer Übernahme häuslicher Pflege müssen Pflege und Beruf vereinbart und Armut verhindert werden können. Gemeinsam mit den Interessenvertretungen pflegender Angehöriger, Sozialverbänden und Gewerkschaften entwickelt DIE LINKE ein Konzept für eine Freistellung berufstätiger pflegender Angehöriger und Zugehöriger mit Lohnersatz. Die Schwellenwerte im Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz wollen wir abschaffen. Es braucht einen bundesweiten Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeiten für alle, die Verantwortung in Erziehung und Pflege übernehmen, eingeschlossen ein Rückkehrrecht auf den eigenen oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz (vgl. Kapitel »Familien dort unterstützen, wo sie es brauchen«).

Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken!

Jahrelang ist an der personellen und sachlichen Ausstattung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) gespart worden. Im Laufe der Corona-Pandemie zeigte sich, wie unverantwortlich das war: Wichtige Aufgaben, wie z.B. die Einschulungsuntersuchungen bei allen Kindern eines Jahrgangs, werden nicht mehr durchgeführt. Die Kapazitätsgrenzen waren schnell erreicht. Statt sich bei der Bundeswehr Helfer*innen zu holen, muss für extreme Notsituationen das Technischen Hilfswerks (THW) besser ausgestattet werden.DIE LINKE will eine finanzielle Stärkung des ÖGD und eine bessere Koordinierung. Im Mittelpunkt der Arbeit des ÖGD muss die soziale Komponente von Gesundheit stehen. Pandemie- und Katastrophenschutzpläne müssen fortgeschrieben und auf kommunaler Ebene durch den ÖGD regelmäßig auf ihre Funktionalität überprüft werden.Im Mittelpunkt der Arbeit des ÖGD muss die soziale Komponente von Gesundheit stehen. Er muss eine tragende Rolle bei Fragen der Prävention erhalten. Der Bund muss die Mittel für die Schaffung von Landesgesundheitsämtern in den Bundesländern bereitstellen.

  • Der Bund muss dafür sorgen, dass Vorhaltekosten für Material und Behandlungskapazitäten komplett gedeckt werden.
  • Wir wollen, dass der ÖGD für niedrigschwellige Impfangebote und bei der Prophylaxe gegen Infektionen in Kitas, Schulen und Betrieben die tragende Rolle übernimmt.
  • In allen Bundesländern braucht es eine gesetzliche Regelung für ein verbindliches Einlade- und Meldewesen zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen für Kinder.
  • Hygieneprodukte für Menstruation sollen von den öffentlichen Gesundheitsstellen kostenlos zur Verfügung gestellt werden (vgl. Kapitel »Feminismus«).

Gesundheitliche Ungleichheit bekämpfen!

Gesundheit ist eine zentrale Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung jedes Einzelnen. Es ist bekannt, dass die soziale Lage einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit hat: Wer arm ist, wird häufiger krank und stirbt früher. Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland besonders schnell auseinander mit der Folge, dass Ungleichheit der Gesundheitschancen weiter ansteigt. Gesundheit wird maßgeblich durch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen bestimmt. Diese Entwicklung wurde durch die Corona-Pandemie und den Umgang der Bundesregierung damit verschärft. Medizinische Forschung und Behandlung von Krankheiten werden durch einen Gender Data Gap (Datenlücke zwischen den Geschlechtern) bestimmt, wobei der männliche Körper als Norm gilt. Dadurch erhalten Frauen häufig z. B. eine Behandlung und Dosierung von Medikamenten, die für sie gesundheitsschädlich oder gar lebensgefährlich ist.

  • Der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit muss im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik stehen. Das betrifft einerseits den Zugang zu guter pflegerischer und gesundheitlicher Versorgung. Noch wichtiger ist aber, die Förderung von Gesundheitschancen als Aufgabe aller Politikbereiche von Bildung, über Verkehr und Umwelt, bis hin zu Verbraucherschutz und Außenpolitik zu begreifen. Wir wollen daher, dass jede gesetzliche Initiative von einer unabhängigen Stelle auf ihre Auswirkungen auf gesundheitliche Ungleichheit hin untersucht wird.
  • Wir fordern die Einführung des anonymen Krankenscheins, der illegalisierten Menschen den Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglicht.
  • Das Gesundheitswesen wollen wir konsequent von Barrieren befreien. Das bedeutet nicht nur, Hindernisse beim Zugang zu Arztpraxen, Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen zu beseitigen, sondern auch, Untersuchungstechniken und Kommunikation den besonderen Bedürfnissen von älteren Patient*innen und Menschen mit Behinderung anzupassen. Leichte Sprache, lesbare und verständliche Patienteninformationen sowie entsprechende Beratungsleistungen müssen selbstverständlich werden. Um medizinischem und pflegerischem Fachpersonal mehr Sicherheit im selbstverständlichen, bedarfsgerechten und diskriminierungsfreien Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu vermitteln, setzen wir uns für die Implementierung spezieller Module in Aus-, Fort- und Weiterbildung ein. Diese sind von fachkundigen Peerkräften durchzuführen.
  • Die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit Behinderung in der Pflege und in (teil-) stationären Einrichtungenmüssen garantiert werden. Dies schließt auch die Mitnahme persönlicher Assistenz zu medizinischen Untersuchungen und stationären Krankenhausaufenthalten sowie zum Besuch von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ein, auch wenn diese nicht über das Arbeitgebermodell organisiert wird.
  • Patient*innen müssen im Zentrum des Gesundheitswesens stehen. Was für Viele eine Phrase ist, wollen wir mit Leben füllen. Keine Entscheidung zur Gesundheits- und Pflegeversorgung darf ohne aktive Mitwirkung der Vertreter*innen der Patient*innen gefällt werden.
  • Damit die Selbsthilfe ihre Unabhängigkeit sichern und den großen Verbänden und Unternehmen im Gesundheitswesen auf Augenhöhe begegnen kann, muss sie angemessen finanziert werden. Die Förderverfahren sind transparent und unbürokratisch auszugestalten.
  • Wir stärken die Patientenverfügung: Eine umfassende Selbstbestimmung muss auch in Extremsituationen möglich sein und alle Jugendlichen sollten frühzeitig über ihre dahingehenden Rechte aufgeklärt werden.
  • Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen wollen wir vor dem Gesetz und in den Sozialversicherungen gleichstellen und ihnen Zugang zu einem inklusiven Arbeitsmarkt ermöglichen.
  • Wir wollen eine gewaltfreie Psychiatrie und die Abschaffung diesbezüglicher Sondergesetze. Die räumlichen Bedingungen und die personelle Ausstattung müssen eine Behandlung ohne Zwang und Gewalt ermöglichen. Wir wollen einen geschlechtersensiblen Blick auf Gesundheit und Krankheit in Forschung und Fortbildung fördern.
  • Der Patient*innen-Datenschutz muss auch für privatversicherte Jugendliche gelten
  • POCs und Menschen mit Migrationsgeschichte haben Anspruch auf diskrimminierungs- und gewaltfreie Behandlung.

Ambulanter Bereich: Gute Versorgung vor Ort, in Stadt und Land

Deutschland hat eine hohe durchschnittliche Arztdichte, trotzdem müssen nicht nur in ländlichen Regionen teils lange Wege und lange Wartezeiten in Kauf genommen werden. DIE LINKE tritt für eine gute, flächendeckende, barrierefreie und bedarfsdeckende gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land ein. Kriterien für eine gute gesundheitliche Versorgung müssen sein: Wohnortnähe und Erreichbarkeit mit ÖPNV, kurze Wartezeiten auf einen Termin und eine gute Notfallversorgung, Barrierefreiheit und Altersgerechtigkeit.

Regionale Versorgungszentren sollen mittelfristig zum Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung werden. Sie sollen sowohl ambulante als auch akutstationäre, notfallmedizinische, psychotherapeutische, (gemeinde-)pflegerische und weitere therapeutische Behandlungen in einer Region koordinieren und als zentrale Anlaufstelle für alle Patient*innen dienen. So wollen wir eine Versorgung aus einer Hand und ein berufsübergreifendes Arbeiten mit familienfreundlichen Arbeitszeiten fördern. Die regionalen Gesundheitszentren bilden wichtige Schnittstellen zu anderen Versorgungsbereichen wie Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Suchthilfe und weiteren Angeboten. Sie sollen auch präventiv und gemeinwesensorientiert arbeiten, gerade in Bezug auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Voraussetzungen von Gesundheit.

  • Wir wollen, dass stationäre und ambulante Versorgung gemeinsam nach Gemeinwohlinteressen geplant und gestaltet wird. Auch Psychotherapeut*innen, Physio- und Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Podolog*innen, Hebammen und Apotheken müssen überall erreichbar sein. Wir wollen gemeinsame Planungsgremien auf Landesebene unter Beteiligung von Patient*innenvertretung, Ländern und Kommunen, Ärzt*innen, Krankenhäusern und Krankenkassen einrichten.
  • Wir wollen die Möglichkeit prüfen, Kaufpreise für „Kassensitze“ für Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen zu begrenzen.
  • Wir unterstützen Modellprojekte für neue Versorgungsformen, wie die bestehenden und entstehenden Stadtteilgesundheitszentren und Polikliniken. Damit sie ihren Anspruch an eine integrierte, multiprofessionelle und sozialraumorientierte Versorgung umsetzen können, setzen wir uns für die Einführung einer neuen Form von Leistungserbringung im Sozialgesetzbuch ein.
  • Wir wollen einen öffentlichen Haftungsfonds, um Hebammen unabhängig von privaten Versicherungen zu machen. Hebammen sollen erste Ansprechpartnerinnen für Schwangere und die Schwangerenvor- und -nachsorge sein – wie in den Niederlanden. Hebammen sind die begleitenden und betreuenden Fachkräfte bei der Geburt. Wir unterstützen die Forderung des Hebammenverbandes nach einem Geburtshilfe-Stärkungsgesetz mit dem Ziel einer eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt. Die Kosten für den laufenden Betrieb in den Geburtshilfeabteilungen müssen von den Krankenkassen so finanziert werden, dass diese Abteilungen ihre Vorhaltekosten decken und die Hebammen bei gutem Stellenschlüssel leistungsgerecht bezahlen können.
  • Die psychotherapeutische Versorgung deckt in vielen Regionen bei Weitem nicht den Bedarf. Die Bedarfsplanung muss gerade in diesem Bereich dringend überarbeitet werden. Auch die Finanzierung der Therapie muss den Bedarf decken. Die fragwürdige Kostenerstattungspraxis der Kassen wollen wir so überflüssig machen.
  • Durch den Betrieb von medizinischen Versorgungszentren versuchen sich Konzerne Profitmöglichkeiten im ambulanten Bereich zu schaffen. Diese Entwicklung wollen wir rückgängig machen.

Die Macht der Pharmaindustrie brechen! Gesundheitsforschung demokratisieren!

Die gesetzlichen Krankenkassen geben in Deutschland über 41 Milliarden Euro für Arzneimittel aus – mit schnell steigender Tendenz. Für Krebs-, Rheuma- und Multiple-Sklerose-Mittel werden im ersten Jahr nach der Zulassung Fantasiepreise gezahlt.

  • Arzneimittelpreise müssen effektiv und per Gesetz begrenzt werden.

Patienten*innen werden durch hohe Zuzahlungen belastet. Die meisten nicht verschreibungspflichtigen Medikamente müssen sie komplett aus eigener Tasche bezahlen, selbst wenn diese ärztlich verordnet wurden.

  • Wir wollen, dass alle Patienten*innen mit sicheren und wirksamen Arzneimitteln nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft versorgt werden – unabhängig von ihrem Einkommen und ihrer Erkrankung.
  • Alle Medikamente mit nachgewiesenem Nutzen müssen vollständig erstattet werden. Dafür muss eine Positivliste eingeführt werden.

Arzneimittelforschung bestimmt nicht nur, ob Medikamente entwickelt werden, die wirklich gebraucht werden, sondern auch, wer die Eigentumsrechte besitzt, welche Preise aufgerufen werden, ob die Forschungsergebnisse transparent gemacht werden und nicht zuletzt, ob Menschen im Globalen Süden Zugang zu Innovationen erhalten können. Für DIE LINKE ist Arzneimittelforschung eine öffentliche Aufgabe.

Wir wollen den Einfluss der Pharmakonzerne zurückdrängen. Das betrifft Werbung und Beeinflussung von Ärzt*innen, Wissenschaft und Patientenorganisationen. Wir fordern eine transparente, gesetzliche Regelung über Zuwendungen der Pharmaindustrie an Mediziner*innen und Heilberufe.

  • Wir wollen Korruption im Gesundheitswesen bekämpfen. Ergebnisse von Arzneimittelstudien müssen veröffentlicht werden. Negative Studienergebnisse dürfen nicht unterdrückt werden.
  • Die Herstellung von Medikamenten und medizinischen Geräten darf nicht den Profitinteressen von Aktionären*innen unterworfen sein. Die Pharmaindustrie muss dem Gemeinwohl verpflichtet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.
  • Patente können tödlich sein. Dass unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft eine international ungleiche Verteilung des Covid-19-Impfstoffs durchgesetzt wurde, ist ein Skandal. Wir wollen, dass mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung im Rahmen des Equitable Licensing (der sozialverträglichen Patentverwertung) zu sozialen Konditionen an ärmere Länder und Generikaproduzenten abgegeben wird. Produktentwicklungspartnerschaften müssen nachhaltig und in voller Breite des Krankheitsspektrums unterstützt werden. Die Kompetenzen der WHO in diesem Bereich wollen wir ausweiten.
  • Alle Medikamente dürfen nur durch wissenschaftliche Studien ihre Zulassungen bekommen. Sonderwege ohne wissenschaftliche Grundlagen müssen abgeschafft werden.
  • Rabattverträge und andere Selektivverträge wollen wir abschaffen.
  • Forschungsprogramme sollen zukünftig in einem transparenten und partizipativen Prozess entwickelt werden, der neben Expertenwissen die Allgemeinheit einbindet. Nur so kann Versorgung verbessert sowie eine patient*innenorientierte und interdisziplinäre Forschung gestärkt werden.
  • Souveränität für gute Gesundheitsversorgung statt Abhängigkeit von Big Pharma! Corona hat gezeigt: Angesichts des Marktversagens bei der weltweiten Versorgung mit den dringend benötigten Covid-19-Impfstoffen und der Gefahr zukünftiger Pandemien, dürfen wir die Produktion von Impfstoffen nicht mehr Konzernen überlassen. Daher schlagen wir den Aufbau einer öffentlichen Impfstoffproduktion (im Sinne von regional vaccin manufacturing hubs) vor, weltweit koordiniert über WHO und UN. Die Kosten, für den Aufbau von Produktionskapazitäten für eine schnelle und ausreichende Versorgung mit Impfstoffen, belaufen sich auf einen Bruchteil der Kosten für Aufrüstungsprojekte wie den Eurofighter.
  • Wir wollen gezielt Gelder bereitstellen, um die Gesundheitswissenschaften (Public Health) und die nichtkommerzielle klinische Forschung zu stärken. Die LINKE fordert, dass die Forschung zur Therapie von Langzeitsymptomen einer Covid-19 Infektion («Longcovid») finanziell und bedarfsgerecht gefördert wird.

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