Bundesregierung ignoriert Nachholebedarf bei Assistenz als wichtige Teilhabeleistung

Antwort auf Kleine Anfrage der Linksfraktion zeigt Defizite der GroKo auf

Assistenz ist für viele Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen unverzichtbar, um an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben zu können. Behinderten- und Sozialverbände/-organisationen fordern daher zu Recht, dass Assistenzleistungen wie alle anderen Teilhabeleistungen bedarfsgerecht und vollständig unabhängig von Einkommen und Vermögen garantiert werden. Dies ist aus Sicht der Betroffenen noch lange nicht verwirklicht. Bestätigt wird diese kritische Einschätzung durch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion zur "Assistenz als wichtige Teilhabeleistung",  die unterm Strich schlechte Nachrichten für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sowie für ihre Angehörigen sind. Besonders fatal ist, dass die Bundesregierung eine "vollständige einkommens- und vermögensunabhängige Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe. nicht für sachgerecht" hält, da dies demnach "nicht mit dem Wesen der Eingliederungshilfe als Fürsorgeleistung vereinbar" wäre. (siehe Antwort auf Frage 24) Laut der Bundesregierung steht auch die scharf kritisierte gemeinschaftliche Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen im Einklang mit dem Selbstbestimmungsrecht und dem Wunsch- und Wahlrecht der UN-Behindertenrechtskonvention. (siehe Antworten auf die Fragen 9 und 10)

Dazu erklärt der behindertenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Sören Pellmann: "Offenbar benötigt die Bundesregierung und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch bewusstseinsbildende Maßnahmen, um sich für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren, und um endlich aus dem Fürsorgedenken herauszukommen. Die GroKo muss das Bundesteilhabegesetz endlich auf Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention umfassend überarbeiten. Es darf keine Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts und keine Heimeinweisungen gegen den Willen der Menschen mehr geben. Dies ist aber leider immer noch Realität. Wir benötigen umgehend bedarfsgerechte, vollständig einkommens- und vermögensunabhängige Teilhabeleistungen wie z.B. Assistenz in allen Lebensbereichen und -phasen, die gleichrangig untereinander ausgestaltet werden müssen. Dazu müssen auch ehrenamtliche Tätigkeiten ohne die bestehenden Vorbehalte und Einschränkung gezählt werden."    

Auch hinsichtlich der offensichtlichen Notwendigkeit der Mitnahme der Assistenzkräfte bei einem Aufenthalt im Krankenhaus oder in einer Reha-/Vorsorgeeinrichtung erkennt die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf. Sie verweist lediglich auf angebliche Verbesserungen durch das Krankenhaustrukturgesetz und Pflegepersonalstärkungsgesetz. (siehe Antwort auf Fragen 6 bis 8) Sören Pellmann dazu: "Dies ist unerträglich. Viele Menschen mit Behinderungen mit Assistenzbedarf, die ihre Assistenz nicht über das Arbeitgebermodell organisieren und beispielsweise ins Krankenhaus müssen und die Assistenzkräfte nicht mitnehmen dürfen, können dadurch in lebensbedrohliche Situationen geraten. Hier muss umgehend gehandelt werden." Die Ignoranz der GroKo gegenüber diesem sensiblen Thema kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Bundesregierung keine Daten zur Anzahl der Menschen vorliegen, die Assistenz beantragt haben. Auch gibt es keine Zahlen über die Menschen mit Behinderungen, die ihre Assistenz über das Arbeitgebermodell, ambulant oder über Einrichtungen organisieren. Nur zur Arbeitsassistenz liegen Daten vor. Nochmals Sören Pellmann dazu: "Dies ist entschieden zu wenig. Ich fordere die Bundesregierung auf, diese Datenlücke unverzüglich zu schließen."

Die Kleine Anfrage: Drs. 19/4393